Ostpolen 1943. Das namenlose Städtchen L. bietet seinen jüdischen Bewohnern nicht mehr als die trügerische Aussicht, ihr Leben doch noch zu retten. Alle klammern sich an die Hoffnung, daß ihre kriegswichtige Arbeit in den Betrieben hinter dem Stacheldraht sie vor dem Schlimmsten bewahren kann. Dabei ist ihr Tod beschlossene Sache, ob durch »Vernichtung durch Arbeit« oder in einem KZ.
Als das Lager aus allen Nähten platzt, setzen die Deportationen ein, und mit ihnen wachsen Angst und Verzweiflung. Der Kampf ums Überleben zerreißt die jüdische Gemeinschaft, die keine mehr ist. Denn die Ankunft der Neuen erzwingt den Abtransport der bisherigen Lagerinsassen. So wird die Solidarität auf eine harte Probe gestellt. Und wie der Bedrohung begegnen? Während die einen, orthodoxe Juden, sich in ihr Schicksal fügen und in ihrem Gott ruhen, suchen die anderen fieberhaft nach Wegen zur Rettung. Erdulden, Unterordnung und Akkordarbeit mag die einzige Chance aufs Überleben sein. Der böhmische Jude Sebastian Wolf aber bedroht diesen Ausweg: Kämpferisch glaubt er, der Nichtgläubige, an Widerstand als nötigen Schritt. Diese Haltung droht jedoch zur Gefahr für das ganze Arbeitslager zu werden. Aber der Funke ist gelegt, und schließlich bricht sich ein neuer Lebenssinn Bahn: aussichtslos kämpfend die Menschenwürde wiederzuerlangen und wie die Makkabäer als jüdische Märtyrer zu sterben.
Noch bevor im Warschauer Ghetto Juden den Aufstand wagen, beginnt Ernst Sommer am 1. April 1943 im Londoner Exil seinen Roman Revolte der Heiligen, der vorwegnimmt, wie sich die scheinbar Wehrlosen in den Ghettos und KZ – wie in Wilna und Białystok, in Treblinka, Sobibór und anderswo – erheben, und zugleich dem jüdischen Widerstand ein literarisches Denkmal setzt. 1944 bei El Libro Libre in Mexiko erschienen – wo auch Anna Seghers’ Das siebte Kreuz und Heinrich Manns Lidice herauskamen –, gehört Ernst Sommers Revolte der Heiligen zu den weltweit ersten und eindrucksvollsten Büchern über den lange marginalisierten jüdischen Widerstand.
Zum Autor
Ernst Sommer (1888, Iglau–1955, London) lebte in Wien, ab 1920 in Karlsbad. In seinem Frühwerk prangerte er Militarismus und Justiz an, beschäftigte sich mit dem Judentum und mit »Demagogie und Masse«. Mit Die Templer (Arco Verlag, 2017) schrieb er gegen den Totalitarismus an. Ab 1938 im Exil, machte er als erster Autor überhaupt die Shoah zum Thema (»Die Gaskammer«, 1942).