Ganz im Zeichen des Gastlandauftritts Tschechiens auf der Leipziger Buchmesse steht die Frühjahrsvorschau des Arco Verlags. Damit setzt der Verlag seinen vor über  17 Jahren begonnenen Schwerpunkt auf die Böhmischen Länder weiter fort. Nach zahlreichen tschechischen Autoren steht mit Daniela Hodrová die erste Gegenwartsautorin im Blickpunkt; gleich zwei poetisch-subversive Schlüsselwerke des weltberühmten Künstlers und Dichters Jiří Kolář und vielleicht noch eine Überraschung kommen hinzu. Zur tschechischen Avantgarde von heute und von früher paßt ein modernistisches Experiment: ein futuristischer Roman des Italieners Bruno Corra von 1916.

 In Ich sehe die Stadt … widmet sich Danielá Hodrová – im Deutschen bekannt durch die im Ammann Verlag erschienene Trilogie Città Dolente – ihrer Heimatstadt Prag. In diesem Buch, das kein Stadtführer sein will – aber glänzend zum Begleiter vor Ort taugt –, das Türen öffnet in ungeahnte, unvertraute Welten zwischen Zentrum und Peripherie, greift die Autorin auf Motive und Personen aus ihrer Romantrilogie zurück; der Rabbi Löw und der Golem, Kaiser Rudolf II, Gustav Meyrink, Josef L., Karel Čapek , Vaclav Havel und viele andere bevölkern ihr Buch.

Jiří Kolářs Schlüsselwerk Die Leber des Prometheus, ein formkühner poetischer Text, in dem Prosa und Gedicht einander durchdringen, und in den noch Nachdichtungen aus dem Englischen – T. S. Eliots The Waste Land – und Polnischen – Zofia Nałkowska – eingeflossen sind, hatte ein enormes Echo – auch beim Geheimdienst und bei opportunistischen Literaturfunktionären, die Kolář als »Hooligan«, also »Schädling«, brandmarkten. Was ihn ins Gefängnis brachte und dennoch im Samisdat kursierte, erscheint hier erstmals auf Deutsch, von Kristina Kallert – bei Arco gefeierte Übersetzerin von Vladislav Vančura und Jiří  Langer.

Zweisprachig Tschechisch und Deutsch erscheint Kolářs Návod k upotřebení  – Gebrauchsanweisung (1961) in der Nachdichtung von Eduard Schreiber.

Neben Kolář gesellt sich ein weiterer Dichter zu unserer Reihe Coll´Arco, dem Tummelplatz der literarischen Moderne, der bereits Avantgarde aus Katalonien (Francesc Pujols), Portugal (Antonío Pedro) und Mexiko (Gilberto Owen) versammelt: Bruno Corra, durch eine Zusammenarbeit mit Marinetti geläufig, war einer der jüngeren Hauptvertreter des italienischen Futurismus und in seinen turbulenten Kurzroman Sam Dunn ist tot, das in einem Paris der Zukunft (von damals besehen) spielt, fließt jede Menge parapsychologischer Phänomene rauschhaft ein. 

Das Frühjahrsprogramm runden mehrere Titel ab, die bereits angekündigt wurden – darunter der ungarische Gegenwartsautor János Térey mit Budapester Überschreitungen, die jiddische Modernistin Celia Dropkin und – als einer der wichtigen, noch lebenden Chronisten von Auschwitz – der Tscheche Tomáš Radil.