Es waren Mihail Sebastians nachgelassene Tagebücher der Jahre 1935–1944, die 1996 in Rumänien – und dann international – zur literarischen Sensation wurden: ein Epochenwerk, das die Ära des europäischen Faschismus und die Erfahrung des eigenen Bedrohtseins als Jude nachempfinden läßt und in Rumänien eine tiefgreifende Debatte um die Vergangenheit sowie die Rolle des Landes auslöste.
Als eine Vorstufe zu ihnen könnte man sein erstes publiziertes Werk überhaupt insofern ansehen, als es vorgibt, eben das zu sein: tagebuchartige Aufzeichnungen, wenngleich nicht eigene, sondern angebliche Fragmente aus einem gefundenen Notizheft. Sebastian inszeniert sich darin als der Herausgeber ausgewählter Passagen des Fundes, den er zudem aus dem Französischen ins Rumänische übersetzt habe.
Inspiriert von der französischen Moderne und insbesondere André Gides Theorie des acte gratuit – der spontanen, unmotivierten, oft zerstörerischen Handlung –, enthüllen die Fragmente aus einem gefundenen Notizheft das Innenleben eines urbanen Menschen an Schauplätzen wie Paris oder Lyon, seine Überzeugungen, seine Skepsis, seine Gefühlskälte. Hier findet erstmals das für Sebastian – wie für viele Zeitgenossen, darunter E. M. Cioran, Tristan Tzara, Eugène Ionescu oder Panait Istrati – prägende Pariserlebnis ein starkes Echo; 1930/31 hatte er an der Seine gelebt. In dieser zweisprachigen Ausgabe wird der Ausgangstext des literarischen Schaffens Mihails Sebastians erstmals auf Deutsch zugänglich gemacht.